Thomas Collmer   Cut-up und Dialektik
Thomas Collmer, Jahrgang 1956, ist ein Philosoph, Soziologe und Literaturwissenschaftler, der umfangreiche Studien über so unterschiedliche Autoren wie Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Edgar Allan Poe und Jim Morrison verfasst hat. Bei seinem auf mehrere Jahrzehnte angelegten Projekt einer kritischen Weiterentwicklung der dialektischen Theorie und Methode versucht er Elemente einer Hegel-Lektüre »mit Hegel gegen Hegel«, eines offenen, pluralen Marxismus und der Kritischen Theorie sowie des Poststrukturalismus und der Systemtheorie zu integrieren. Das Thema »Cut-up und Dialektik« wird in diesem kleinen Buch, dessen Entstehung auf einen Vortrag am 12. Juli 2009 im »Nachthafen« in Hamburg-St.Pauli zurückgeht, wahrscheinlich zum ersten Mal überhaupt behandelt. Collmer beginnt mit einer Einführung in Hegels dialektisches Denken, die an Menschen ohne Vorkenntnisse gerichtet ist und sich dennoch auf der Höhe gegenwärtiger Forschung befindet. Die Stichworte »Differenz«, »Wiederholung« und »Intensität« ermöglichen es ihm, über eine Darstellung der Hegel-Kritik von Gilles Deleuze den Bogen zur Cut-up-Literatur zu schlagen, wobei er nicht nur die augenfälligen Unterschiede, sondern auch die auf den ersten Blick vielleicht verblüffenden Gemeinsamkeiten zwischen Dialektik und Cut-up herauszuarbeiten versucht. Collmers Lektüre des kleinen Buches Rhizom von Gilles Deleuze & Félix Guattari verdeutlicht seine Auffassung, dass ein wechselseitiges Inspirieren von Dialektik und »Nomadologie« die Dialektik vor einem Übergewicht von Identität über Negativität und vor sterilem Dogmatismus bewahren kann, und umgekehrt die »Rhizomatik« und »Nomadologie« vor Irrationalismus und bloßem Chaos. Er versteht Philosophie als ein Bereitstellen von Werkzeugen zur Stärkung von Widerstandszonen gegen die Totalisierung der Waren- und Wertform im globalisierten Kapitalismus. Rebellen wie William S. Burroughs oder wie der von dessen Cut-up-Methode beeinflusste Rockpoet Jim Morrison oder eben Deleuze & Guattari fordern uns dazu auf, die beschränkten, fremdbestimmten und kontrollierten Weisen und Formen unserer Wahrnehmung, unseres Sprechens, Fühlens und Denkens zu durchbrechen und kreativ zu reorganisieren. Dazu kann uns die Theorie und Praxis von Dialektik und Cut-up hilfreiche Munition liefern.